Blu-ray Usability

DVD- und Blu-ray-Usability
Forschungsprojekt (2008)


Überblick

Obwohl die DVD zu den am häufigsten genutzen Medien überhaupt gehört (allein im Jahr 2007 wurden in Deutschland über 100 Millionen Disks verkauft), gibt es bislang kaum verbindliche Richtlinien für die effiziente und gebrauchstaugliche Gestaltung von DVD-Benutzerschnittstellen. Ganz ähnlich sieht es bei der Blu-ray-Disk (BD) aus. Hier hat insbesondere der Formatkrieg mit der HD-DVD zahlreiche neue Möglichkeiten und Features hervorgebracht, die teils sinnvoll sein mögen, teils aber auch Anlass zur Frage geben, ob sie vom Anwender wirklich gebraucht werden.

Ziel dieses Projektes ist die Entwicklung eines Regelwerks für das Menüdesign von Videodisks, das den User ins Zentrum der Betrachtung stellt. In einer ersten Projektphase wurden dazu DVDs und Blu-ray-Disks analysiert und anhand einer Bewertungsmatrix kategorisiert. Auf Basis der hierbei gewonnenen Erkenntnisse wurde ein Online-Fragebogen entwickelt, der neben den Nutzungsgewohnheiten der Rezipienten insbesondere Aufschluss über Anforderungen an Design, Bedienbarkeit und Funktionsumfang von Videodisks geben soll. In der dritten Phase des Forschungsvorhabens sollen verschiedene Disk-Prototypen entwickelt werden, die bei weiterführenden Usability-Tests zum Einsatz kommen sollen.


Untersuchungsmethoden

Für die Entwicklung eines Design-Regelwerks für DVDs und BDs war eine dreistufige Untersuchungsmethode vorgesehen:

  • Im ersten Schritt sollten bestehende DVDs und BDs anhand einer Bewertungsmatrix analysiert werden. Die Analyse sollte auf der einen Seite mögliche existierende Standards kenntlich machen, auf der anderen Seite Usability-Schwachstellen und Inkonsistenzen in der Benutzerführung bzw. Bedienung identifizieren.
  • Die Ergebnisse dieser Analyse sollten im zweiten Schritt als Grundlage für die Entwicklung eines Online-Fragebogen dienen. Die Befragung sollte Aufschluss über den Nutzungskontext der Videodisks geben und soziodemografische Daten der Anwender/-innen sowie Daten zur Mediennutzung liefern. Darüber hinaus sollten auf der Basis der gewonnenen Ergebnisse Anforderungen für die Entwicklung eigener DVD- und BD-Prototypen formuliert werden.
  • Die Entwicklung dieser Test-Prototypen leitete Phase 3 ein, an deren Ende Nutzertests standen, die anhand ganz konkreter Aufgabenstellungen weitere Schwachstellen in der Benutzerführung identifizieren und Lösungen dieser Probleme ermöglichen sollten.

Disk-Analyse

Im Vorfeld der eigentlichen Analyse wurden mehrere DVDs und BDs stichprobenartig untersucht. Dabei sollten Standard-Aufgaben wie etwa das Anwählen eines Kapitels oder die Auswahl der Menüsprache Aufschluss über die jeweiligen Bedienkonzepte und Gestaltungsaspekte unterschiedlicher Studios bzw. Produktionsfirmen geben. Die Erkenntnisse, die hierbei gewonnen werden konnten, wurden systematisch geordnet und flossen in die Entwicklung der Untersuchungskategorien ein. Die endgültige Bewertungsmatrix für DVDs enthielt folgende Kategorien: Disk, Disk-Intro, Hauptmenü, Kapitelmenü, Einstellungsmenü, Extra-Menü, Extras, Barrierefreiheit, Schaltflächen, Menü-Übergänge, Navigation & Disk-Struktur, Orientierung und Fernbedienung. Die BD-Matrix wurde zusätzlich um die Kategorie Pop-up-Menü erweitert. Jede Kategorie wurde in mehrere Bewertungskriterien unterteilt; so umfasste die Kategorie Hauptmenü bei der BD-Matrix beispielsweise die Unterpunkte Menü-Intro, Intro-Dauer, Hintergrundmusik, Designstil, Schriftarten, Bewegtmenü und Timeout-Funktion. Die DVD-Matrix enthielt 59 Untersuchungskriterien, die BD-Matrix 66. Insgesamt wurden 54 DVDs und 14 BDs aus den Jahren 2003 bis 2008 untersucht.

Online-Befragung

Der Online-Fragebogen wurde auf Grundlage der Ergebnisse der Videodisk-Analyse entwickelt. Die Befragung sollte neben Erkenntnissen über die Nutzungsgewohnheiten der Rezipienten/-innen vor allem Aufschluss über Anforderungen an Design, Bedienbarkeit und Funktionsumfang von Videodisks geben. Der Fragebogen selbst hatte 48 Fragen, die auf 21 Seiten verteilt und in zwölf thematische Blöcke unterteilt waren. Neben Fragen zur gegenwärtigen und zukünftigen Nutzung der Medien stand der Gebrauch der Disk selbst im Zentrum der Erhebung.

Vom 10.4. bis 19.4.2008 haben insgesamt 2.106 Personen die Fragebogenseite im WWW besucht. Davon haben 513 die Befragung abgebrochen. 1.593 Umfragteilnehmer/-innen haben den Fragebogen ausgefüllt, davon 1.359 komplett und 234 teilweise. Insgesamt betrug die Online-Rücklaufquote 75,6 Prozent. Nach Filterung doppelter IPs und Cookies verblieben 1.484 verwertbare Datensätze.

Nutzertest

Die Ergebnisse der Nutzerbefragung bildeten die Grundlage für die Entwicklung von DVD- und Blu-ray-Prototypen. Insgesamt wurden fünf DVDs bzw. BDs mit unterschiedlicher Struktur und Benutzerführung mit Hilfe gängiger Autoren-Software erstellt. Außerdem mussten die Testpersonen einfache, beispielhafte Aufgaben anhand zweier kommerzieller BDs lösen. Am Nutzertest nahmen 14 Studierende und Angestellte der Hochschule Bremerhaven teil, davon vier Frauen und zehn Männer. Als Testumgebung kam ein BD-fähiges Notebook zum Einsatz. Die Eingabe erfolgte über die Tastatur, um eine Disk-Nutzung mit der Fernbedienung simulieren zu können. Für jede einzelne Aufgabe wurde die Bearbeitungszeit gestoppt sowie Art und Anzahl der Tastatureingaben registriert. Bildschirm und Tastatureingaben wurden auf Video aufgezeichnet.


Ergebnisse

Disk-Analyse und Online-Umfrage

Die Disk-Analyse hat verdeutlicht, dass es bei einigen Titeln zwar einheitliche Gestaltungsstandards gibt, diese jedoch auf studiointernen Vorgaben beruhen und nicht allgemeinen Prinzipien benutzerzentrierten Designs folgen. Die hier ausgemachten Probleme sind beispielsweise zu lange und nicht überspringbare Intros, schlecht lesbare Schriften, unübersichtliche Anordnung von Buttons und Kapitel-Vorschaubildern, grafisch überladene Menü-Seiten, ineffektive Möglichkeiten der Sprach- und Untertitelauswahl, abweichende Bezeichnungen der Standard-Schaltflächen, unlogisches Button-Routing, mangelnde Orientierungsmöglichkeiten, nicht belegte Menü-Tasten der Fernbedienung oder – wie bei einigen BDs – ein nicht aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel von Disk- und Pop-up-Menü.

Die dabei gewonnenen Erkenntnisse und der Abgleich mit den Ergebnissen der Nutzer-Umfrage machen deutlich, dass viele kommerzielle Titel bezüglich Gestaltung und Gebrauchstauglichkeit nicht den Anforderungen und Bedürfnissen der Nutzer entsprechen. Menüs sind austauschbar und unübersichtlich gestaltet, die Möglichkeiten der Fernbedienung werden nicht ausgeschöpft, und die Navigation ist nicht selten umständlich. Daneben wird deutlich, dass viele der Umfrageteilnehmer oftmals andere Ansprüche an die Ausstattung der Disks stellen als die Produktionsfirmen.

Nutzertests

Die Nutzertests haben gezeigt, dass auch nicht BD-erfahrene Nutzer/-innen mit konsistent gestalteten Pop-up-Menüs der Blu-ray-Disk sicher und intuitiv zurechtkommen. Effektivität, Effizienz und auch persönlicher Eindruck der neuartigen Navigation übertreffen die klassische DVD-Navigation bei weitem. Auf der anderen Seite wird deutlich, dass mit den neuen Möglichkeiten, die BD-J prinzipiell bietet, nicht immer gebrauchstaugliche Konzepte einhergehen müssen. Die meisten der Testteilnehmer/-innen saßen mehr oder weniger ratlos vor dem Monitor, als sie eine sehr simple Aufgabe bei einem der beiden kommerziellen BD-Titel bewältigen sollten. Hier verdeutlicht sich ein Trend zu verspieltem, überladenem Design, das funktionelle Aspekte in den Hintergrund drängt.

PDF Designing Usable Blu-ray Disks and DVDs